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Frank Horvat: Mit Licht dichten

Der 1928 geborene Frank Horvat prägte die Modefotografie. Trotz vieler Bild­ikonen blieb sein weiteres Œuvre eher unbekannt. Eine Ausstellung in Berlin stellte sein Werk dem von Helmut Newton und Szymon Brodziak gegenüber. In einem Gespräch mit FOTO HITS vermittelte Horvat bereits einige teils verblüffende Einsichten.

Frank Horvat
Frank Horvat

FOTO HITS: Sie sind bekannt dafür, neuen Entwicklungen offen gegenüber zu stehen. Wie fühlt es sich an, stattdessen in der Berliner Ausstellung auf das eigene Werk zurückzublicken?

Frank Horvat: Erstens ist sie für mich wesentlich, da ich 87 bin. Der zweite Grund für ihre Wichtigkeit liegt darin, dass mein Werk sehr verschiedenartig ist. Vielen Leuten ist dies gar nicht bewusst. Man wirft mir oft vor, dass meine Bilder nicht erkennbar seien. Das sind sie auch nicht, wenn man gewohnt ist, „erkennbar“ mit technischen Merkmalen zu identifizieren, etwa mit der Körnung, Unschärfe oder Weitwinkel. Bei mir gibt es keine solchen Regeln. Eine Gemeinsamkeit findet man stattdessen in meinem Sehen und Denken. Diese Einheit versuche ich, in der Ausstellung deutlich zu machen.

FOTO HITS: Für mich wird diese Einheit in Ihrer poetischen Herangehensweise sichtbar. In einem frühen Bild etwa liegen Herren- und Damenschuhe nebeneinander, die fast lyrisch von Sonnenstrahlen umspielt werden.

Frank Horvat: Sie haben vollkommen recht, ich drücke es aber etwas anders aus. Was ich zeige, ist nicht, was das Auge oder die Kamera sieht, sondern das, woran ich denke. Meine Fotos zeichnen sich also immer durch ein „so als ob“ aus.

FOTO HITS: Können Sie das erläutern?

Frank Horvat: Ein schlichtes Beispiel: Wenn ein Turm wie ein Wolkenkratzer wirkt, weil ich ihn abschneide. Ich lasse also etwas aus, und überlasse es der Vorstellung des Betrachters, wie es weitergeht.

FOTO HITS: Diese assoziative Gestaltung ähnelt der von Saul Leiter, der Motive nur mit Licht- und Farbflecken andeutete. Sehen Sie eine geistige Verwandtschaft?

Frank Horvat: Wir waren auch recht gut befreundet. Er arbeitete allerdings instinktiver, ich eher intellektuell.

FOTO HITS: Ihre neuen Werke beschäftigen sich mit essentiellen Dingen wie Liebe, Geburt und Tod. Was bedeuten im Vergleich die Modefotos etwa der 1950er Jahre für Sie?

Frank Horvat: Sagen wir so: Meine Modefotos machte ich aus zwei Gründen. Erstens, weil ich gerne mit den Mädchen arbeitete. Zweitens, weil ich damit Geld verdiente. In etwa 80 bis 90 Prozent der Fälle führte ich die Modeaufnahmen mit großer Langeweile durch. Diejenigen von ihnen, die bleibend sind, habe ich aber mit Liebe gemacht. Andere Bilder dagegen entstanden aus persönlicheren und philosophischeren Beweggründen.

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Für Harper’s Bazaar UK. Djerba, Tunesien, 1965 © Frank Horvat

FOTO HITS: Wie schafften Sie es, trotzdem professionell an Modestre­cken heranzugehen?

Frank Horvat: Ich sprach oft mit Helmut Newton darüber, und er sagte wie ich: Ich bin ein disziplinierter Mensch. Was ich machen muss, führe ich diszipliniert durch, und dann wird es auch gut.

FOTO HITS: Für manche Fotos scheinen Sie aber einfach auf die Straße hinausgegangen zu sein.

Frank Horvat: Der Grund lag darin, dass ich keinerlei Erfahrungen mit der Studioarbeit und auch keinen Assistenten hatte. Ich war eher ein Fotoreporter. Wesentlicher aber war, dass ich dort das Unerwartete erwartete. Ohne dieses Element ist für mich ein Bild uninteressant.

FOTO HITS: Wieviel Freiheit gab man Ihnen, ihre Aufnahmen zu gestalten?

Frank Horvat: Sie war relativ groß. Denn die Zeitschriften hatten sich noch nicht daran gewöhnt, alles zu delegieren und billiger zu bekommen. Außerdem blieb ich damals einige Jahre lang der einzige, der solche Bilder auf der Straße machte. Andererseits war es für die Magazine kommerziell reizvoll, da es eine gute Art und Weise darstellte, das Prêt-à-porter (Anmerkung der Redaktion: „alltagstaugliche Mode für alle“) in dieser Umgebung zu zeigen. Denn das Prêt-à-porter war in den 1950er Jahren neu und eine gute Möglichkeit, Geld zu verdienen. Meine Aufnahmen passten also zu meinem Glück gut in die Bedürfnisse dieser Zeit herein.

FOTO HITS: In den 1980er Jahren hörten sie ganz mit der Modefotografie auf. Warum?

Frank Horvat: Hauptsächlich, weil die Zeitschriften keine Lust mehr hatten, mit mir zu arbeiten. Immerhin schaffte ich es, in diesen kommerziellen Beruf ein – vielleicht lächerlich wirkendes – Ideal zu bringen. Es bestand darin, echte Frauen zu zeigen, die nicht völlig aufgetakelt und geschminkt sind. Das entstand aus rein persönlichen oder sogar sentimentalen Gründen. Darüber hinaus entsprach es damals dem Publikumsgeschmack. In der Hinsicht verstand ich mich gut mit Helmut Newton und wir beeinflussten uns gegenseitig.

FOTO HITS: Doch dachten Sie nie konservativ, sondern öffneten sich etwa den neuen digitalen Medien. Das ist amüsant, da junge hippe Fotografen analoge Kameras vorziehen. Was würden Sie ihnen sagen?

Frank Horvat: Manche Fotografen wollen eine Kunst beherrschen, die kein anderer beherrscht. Das kann man natürlich von jemanden, der mit Smartphones fotografiert, nicht sagen. Analoge Fotografen wollen Spezialisten in einer Zeit bleiben, in der jeder technisch gesehen gut fotografieren kann. Doch die Spezialität liegt woanders, nämlich im Denken. Wenn sie dazu nicht imstande sind, suchen sie sich eben eine andere – technische – Besonderheit aus.

FOTO HITS: Es ist jedenfalls angenehm, dass man nicht mehr durch die Dunkelkammertechnik begrenzt wird. Es kommt stattdessen nur auf das Auge oder vielmehr die Persönlichkeit an.

Frank Horvat: Das denke ich auch und will es mithilfe einer App zeigen, die im Apple-Shop iTunes erhältlich ist (Anmerkung der Redaktion: Der Quicklink horvat, den man unter www.fotohits.de eingibt, führt direkt auf die Seite). In ihr zeige ich, wie ich jetzt mit meiner kleinen Kamera fotografiere und trotzdem Kunst entsteht.

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Schuhe und Eiffel-Turm. Paris, 1974 © Frank Horvat

FOTO HITS: Einige Ihrer neuen Fotos halten magische Momente fest, andere erinnern mich an Schnappschüsse.

Frank Horvat: Ich versuche, dass diese Aufnahmen trotzdem mehr als Schnappschüsse sind. Manchmal arbeite ich stundenlang an ihnen, um etwas wegzulassen oder hereinzubringen. Das ist oftmals sehr subtil, also wenig offensichtlich.

FOTO HITS: Für einige Fotografen wird ein Bild durch Adobe Photoshop abgewertet. Wie stehen Sie dazu?

Frank Horvat: Grundsätzlich haben die Kritiker recht. Manche Benutzer machen zu viel mit Photoshop. Wenn sie etwa auf der Straße fotografieren und irgendwo Schmutz herumliegt, entfernen sie ihn. Ich habe herausgefunden, dass es besser ist, nicht alles zu säubern.

FOTO HITS: Ihnen gelingt es tatsächlich, aus zerknülltem Schokoladenpapier – seiner Textur und dem Lichteinfall – ein poetisches Motiv zu zaubern.

Frank Horvat: Dieses Schokoladenpapier wird zu etwas anderem oder besser, es lässt etwas anderes denken. Das Papier an sich mag uninteressant sein, mich interessiert genau diese Metamorphose.

FOTO HITS: Wie lernten Sie, das Licht zu beurteilen?

Frank Horvat: Ich denke, es wurde mir gegeben. Wenn ich meine Bilder betrachte, die ich mit 16 Jahren schoss, sehe ich bereits diese Aufmerksamkeit für das Licht. Nicht immer und manchmal nicht geschickt gesetzt, aber sie ist immer da.

FOTO HITS: Haben Sie mit diesen Verwandlungen ihr zentrales Thema gefunden oder suchen Sie nach Neuem?

Frank Horvat: Sie werden mich in Berlin sehen – ich bin so gealtert, dass ich nicht mehr mit größeren Entwicklungen rechne.

FOTO HITS: Eine Generation tritt ab, die die Fotografie der letzten Jahrzehnte prägte. Wagen Sie eine Vorhersage, was kommen wird?

Frank Horvat: Ich schwanke zwischen zwei Prognosen. Eine positive, dass mit der digitalen die eigentliche Fotografie beginnt. Eine negative, dass mit dem Digitalen das Ende der Fotografie eingeläutet wird. Positiv ist, dass die eigentliche Fotografie nicht mehr mit einer komplizierten und relativ lächerlichen Technik verbunden ist. Sie wird – scheinbar – ganz einfach, aber tatsächlich unglaublich kompliziert.

FOTO HITS: Weil ein langweiliges Bild nicht mehr zu entschuldigen ist, da es allein am Fotografen liegt?

Frank Horvat: Natürlich. Andererseits ermutigt die Digitalfotografie alle Idioten, die meinen, sie könnten fotografieren.

FOTO HITS: Man könnte es auch so bewerten, dass die Fotografie demokratischer geworden sei.

Frank Horvat: Dieses „Demokratische“ hat seine guten und schlechten Seiten. Ich will Ihnen eine Geschichte erzählen: Unter meinen neun Enkelkindern befindet sich ein Mädchen, das 25 Jahre alt ist. Sie hat nicht viel in der Schule gelernt, will aber Fotografin werden. Meine erste Reaktion war, ihr zu raten, erst einmal etwas Vernünftiges anzustreben. Meine andere Tendenz war, ihr zu bestätigen, das sie eine gewisse Ursprünglichkeit und ein wirkliches Gefühl besäße. Also: „Versuch es!“

FOTO HITS: Eine gute Ermunterung für unsere Leser.

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Givenchy Hut. Paris, 1958 © Frank Horvat.